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Psychotherapie: Der erste Schritt zur seelischen Gesundheit

„Ich muss meine Probleme alleine lösen“ oder „Anderen geht es viel schlechter“ – solche Glaubenssätze halten viele Betroffene von psychischen Problemen davon ab, professionelle Hilfe zu suchen. Hinzu kommt, dass sich viele kaum etwas unter einer Psychotherapie vorstellen können und deswegen zögern. Doch wir können beruhigen: Eine Psychotherapie wird individuell an Ihre Bedürfnisse angepasst und ist oft der beste Schritt für mehr Lebensqualität. Wir zeigen, wie eine Psychotherapie abläuft und warum sie Ihnen die Unterstützung bieten kann, die Sie benötigen.

Ein Mann und eine Frau sitzen auf einem Sofa. Der Mann hat den Kopf in die Hände gestützt und sieht traurig aus. Die Frau hat einen Notizblock auf den Knien und macht sich Notizen. | © pexels

Es kann Überwindung kosten, einen Therapie zu beginnen, doch oft ist sie der erste Schritt zu mentaler Gesundheit. (pexels)

Bei einem gebrochenen Bein, einer größeren Wunde oder dem Sturz auf den Kopf ist die Devise klar: ab ins nächste Krankenhaus! Anders ist es bei psychischen Problemen. Diese sind meistens von außen kaum sichtbar sind, können aber trotzdem immenses Leid verursachen. Entsprechend ist es für Betroffene sehr schwierig einzuschätzen, wann sie ärztliche Hilfe suchen sollten. Schließlich erlebt jeder Mensch mal schlechte Tage, an denen er traurig, erschöpft oder niedergeschlagen ist. Reicht das aber bereits für eine Psychotherapie?

Jein. Zum Start einer Psychotherapie muss bei Ihnen eine anerkannte psychische Krankheit diagnostiziert worden sein. Darunter fallen allerlei Leiden wie Depressionen, Angststörungen, Essstörungen oder Abhängigkeiten. Das klingt heftig, ist aber gar nicht so selten: Jeder zweite Mensch erkrankt im Laufe seines Lebens an einer psychischen Störung.

Wenn es Ihnen also schlecht geht, das heißt, Ihre Gedanken, Gefühle und Verhalten Ihre Lebensqualität beeinträchtigen, lassen Sie Ihre Beschwerden abklären. Wenden Sie sich dazu an Ihre*n ärztliche Allgemeinpraktiker*in des Vertrauens oder direkt an eine Praxis für Psychotherapie.

In den folgenden Fällen ist eine Abklärung durch eine Fachperson dringend empfohlen:

  • Wenn Sie sich über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen ohne Unterbrechung psychisch unwohl fühlen und keine Besserung in Sicht ist.
  • Wenn Sie unter psychosomatischen Beschwerden leiden, zum Beispiel durch Stress verursachte Kopfschmerzen oder Schwindelgefühle.
  • Wenn Sie kürzlich eine belastende Diagnose erhalten haben. Die Psychotherapie kann eine wirksame Methode zur emotionalen und mentalen Bewältigung von Krebs, Multiple Sklerose oder Ähnlichem sein.

Psychotherapie oder psychologische Beratung?

Während die Psychotherapie eine heilende Maßnahme für klinisch diagnostizierte Krankheiten darstellt, gibt es viele weitere Möglichkeiten, psychische Unterstützung zu erhalten. Bei Konflikten, Stresssituationen oder anderen Sorgen und Ängsten kann eine psychologische Beratung helfen. Diese konzentriert sich auf den Umgang mit konkreten Lebensthemen und stellt keine Krankheitsdiagnosen. Der Vorteil: Sie benötigen dafür keine ärztliche Verschreibung.

Psychiater? Psychotherapeut? Psychologe?

Psycholog*innen haben Psychologie studiert. Sie coachen und entwickeln Lösungsstrategien mit Patient*innen, verschreiben jedoch keine Medikamente. Psychotherapeut*innen haben sich nach dem Studium weiterbilden lassen. Auch sie behandeln nicht selbstständig medikamentös, sind jedoch berechtigt, Krankheitsdiagnosen zu stellen. Dieser Begriff ist übrigens in Deutschland geschützt: Nur approbierte Psychotherapeut*innen dürfen sich so nennen und über die gesetzliche Krankenkasse abrechnen. Dieser Beruf unterliegt dem Psychotherapeutengesetzes (PsychThG). Psychiater*innen haben Medizin studiert und dürfen deshalb Medikamente wie Antidepressiva verschreiben. Sie bieten meist weitere Therapieformen wie Gesprächstherapie an.

Wer trägt die Kosten einer Psychotherapie?

Die Kosten für eine verschriebene Psychotherapie werden in der Regel durch die Krankenkasse gedeckt. Klären Sie am besten vorab mit Ihrer Krankenkasse ab, welche Bedingungen für eine Übernahme der Kosten erfüllt werden müssen und ob die gewünschte Fachperson anerkannt wird.

Bei einer Kurzzeittherapie werden bis zu 24 Therapiesitzungen von der Krankenkasse gedeckt, wobei zweimal 12 Stunden beantragt werden. Um danach, falls nötig, die Therapie weiter fortführen zu können, muss eine erneute Evaluation der Fachperson erfolgen. Erachtet sie weitere Sitzungen als notwendig, werden zusätzliche 12 Sitzungen von der Krankenkasse übernommen.

Soll nach diesen insgesamt 24 Sitzungen die Therapie weitergeführt werden, fallen Sie in die Langzeittherapie. Diese wird als Verhaltenstherapie oder als tiefenpsychologisch fundierte Therapie angeboten. Hierbei sind beim Erstantrag 60 Theraiestunden durch die Krankenkasse abgedeckt. Übrigens, zu Beginn der Therapie finden bis zu vier probatorische Sitzungen statt, in denen eine ausführliche diagnostische Abklärung stattfindet und festgestellt wird, ob eine gute therapeutische Beziehung zwischen Patient*in und Therapeut*in besteht. 

Wie läuft eine Psychotherapie ab?

1. Kontaktstelle auswählen

Suchen Sie sich eine*n Psychotherapeut*in oder eine Klinik für Psychotherapie.

Plattformen wie, die Bundes-Psychotherapeuten-Kammer, der Psychotherapie-Informationsdienst, oder die Deutsche Psychotherapeuten-Vereinigung helfen Ihnen bei der Suche.

Bevor Sie Kontakt herstellen, überlegen Sie sich am besten Folgendes:

  • Spielt das Geschlecht der behandelnden Person eine Rolle für mich? Würde ich eine weibliche Therapeutin oder einen männlichen Therapeuten bevorzugen?
  • Wie weit möchte ich für die Therapie reisen? Darf das bei mir in der Ortschaft geschehen oder würde ich die Anonymität in der nächstgrößeren Stadt bevorzugen?

2. Termin für Erstberatung ausmachen

Wenn möglich, machen Sie direkt einen Termin aus oder lassen Sie sich auf die Warteliste der ausgewählten Stellen setzen. Je nach Wohnort und aktueller Situation könnte es zu längeren Wartezeiten kommen. Verlieren Sie aber nicht den Mut, wenn Sie die geeignete Fachperson nicht sofort finden. Denken Sie daran, dass Sie bei schweren Fällen jederzeit ein Krankenhaus aufsuchen dürfen. Auch psychische Notfälle sind Notfälle!

3. Erstgespräch führen und gegebenenfalls Diagnose erhalten

Legen Sie im Erstgespräch die Gründe für Ihren Besuch dar und versuchen Sie dabei, möglichst offen zu sein. Falls noch nicht geschehen, stellt die oder der Therapeut*in die Diagnose aus. Im Idealfall werden dabei bereits gemeinsame Ziele, Anzahl Sitzungen und Zeitrahmen der Behandlung festgelegt.

4. Nach der ersten Sitzung eigene Gefühle evaluieren

Fragen Sie sich nach der ersten Sitzung, ob Sie sich bei Ihrer behandelnden Fachperson wohlfühlen. Das positive Verhältnis zwischen Therapeut*in und Patient*in ist entscheidend für den Behandlungserfolg. Wenn das Gefühl bei Ihnen nicht stimmt, schrecken Sie also nicht zurück, das offen zu kommunizieren. Niemand wird Ihnen das übel nehmen!

5. Therapiesitzungen wahrnehmen

Die Psychotherapie besteht dann aus mehreren Sitzungen, hauptsächlich Gesprächen. Es können aber auch andere Therapieformen angewandt werden (siehe unten), wenn die behandelnde Fachperson das als hilfreich erachtet. Eventuell erhalten Sie auch einfache Aufgaben für zu Hause, wie Atemtraining oder Entspannungsübungen.

Es kann ein paar Sitzungen dauern, bis Sie sich komplett öffnen können und Fortschritte erzielen. Oder Sie weinen in den Sitzungen oft. Beides ist völlig normal! Machen Sie sich keinen Druck, sehr vielen Menschen geht es so. Selbstverständlich unterliegt die Fachperson der ärztlichen Schweigepflicht.

6. Die Therapie erfolgreich abschließen

Die Dauer einer Therapie und die Anzahl der Sitzungen hängt von verschiedenen Faktoren wie den Beschwerden ab. Der oder die Psychotherapeut*in bestimmt mit Ihnen zusammen den Abschluss der Psychotherapie, wenn sich das Krankheitsbild verbessert hat.

Mythos über Psychotherapie

„Psychotherapeut*innen sagen mir genau, was ich tun soll“ – eine weit verbreitete Fehlannahme! In der Psychotherapie geht es nicht darum, Ihnen einen Maßnahmenkatalog zur Heilung zusammenzustellen. Stattdessen versuchen Psychotherapeut*innen, Sie mit urteilslosen Fragen, Kommentaren und Deutungen an das Problem heranzuführen, damit Sie selber erkennen und weiterentwickeln können, was Ihnen hilft.

Die richtige Therapieform

Jede Krankheit muss anders therapiert werden. Das gilt nicht nur für den Körper, sondern auch für die Psyche. Was jemandem mit Angststörung hilft, könnte bei jemandem mit Depression kontraproduktiv wirken. Deshalb ist die richtige Therapieform für den Erfolg der Behandlung entscheidend.

Die Therapieform wird im Austausch mit einer Beratungsstelle oder Fachperson ausgesucht. Meistens verspricht eine kombinierte Therapie am meisten Erfolg. Wichtig ist, nicht den Mut zu verlieren, wenn eine Behandlung nicht sofort die gewünschte Wirkung erzielt.

Unsere nachfolgende Liste ist nicht abschließend, sondern soll Ihnen eine erste Idee geben, wie Bestandteile einer Therapie aussehen könnten.

  • Gesprächstherapie

    Eine der verbreitetsten Therapieformen. Sie zielt darauf ab, dass sich die Patient*innen besser kennenlernen, problematische Denkmuster verstehen und im besten Fall auflösen können. Es geht aber nicht darum, die Patient*innen mit Fragen zu bedrängen, sondern ein urteilsfreies Gespräch zu führen. Das Sich-Öffnen erfordert jedoch viel Vertrauen. Deshalb ist das Verhältnis zwischen Psychiater*in und Patient*in bei dieser Behandlungsmethode zentral.

  • Kognitive Verhaltenstherapie

    Eine Therapieform, bei der Betroffene aktiv mitarbeiten. Im Gegensatz zu Gesprächstherapie oder Psychoanalyse zielt sie weniger auf die Vergangenheit ab. Im Fokus stehen aktuelle Probleme und deren Lösung.

  • Schematherapie

    Ist eine Unterform der kognitiven Verhaltenstherapie. Schematherapien gründen auf der Annahme, dass alle Menschen gewisse Verhaltensmuster in sich tragen. Als problematisch angesehen werden solche sogenannten Schemata, wenn wir ihnen automatisch oder zwanghaft folgen. Gemäß dieser Lehre wird sich ein Erwachsener, welcher als Kind häufig alleingelassen wurde, an andere Menschen klammern, weil er ein erneutes Verlassenwerden verhindern will. Der Therapeut kann Schemata erkennen und für eine bewusstere Reaktion des Patienten sorgen.

  • Psychoanalyse

    Analog zur Gesprächstherapie steht hier der Dialog zwischen Patient*in und Therapeut*in im Vordergrund. Frühere Konflikte werden bearbeitet. Psychoanalyse ist langwieriger und geht tiefer als reguläre Gesprächstherapie. Bei dieser Behandlungsmethode muss die Chemie zwischen den involvierten Personen stimmen.

  • Traumatherapie

    Ist geeignet für Menschen, welche seelische Wunden durch Unfälle oder Missbrauch erlitten haben, sogenannte Trauma. Ziel ist es, den Umgang mit den traumatisierenden Erfahrungen zu verbessern und die Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) zu lindern. Das kann durch Gespräche oder körperorientierte Methoden gelingen. Unter Letztere fällt die EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing). Sie basiert auf der Beobachtung, dass sich psychische Belastungen verringern, wenn die Augen schnell und rhythmisch bewegt werden. Vereinfacht gesagt denkt der Patient an sein Trauma, respektive spricht darüber, während er die Augen in einem vorgegebenen Rhythmus bewegt. Das stimuliert bestimmte Hirnareale, was zur Traumaverarbeitung beitragen soll. Wie diese Stimulation wirkt, ist noch nicht erforscht, Betroffene berichten jedoch von ihrer Wirksamkeit.

  • Paar- und Familientherapie

    Hier werden Konflikte als ein Problem der sozialen Gruppe gesehen, die es gemeinsam zu bewältigen gilt. Häufig stehen die Kommunikation sowie das gegenseitige Verständnis im Vordergrund.

  • Gruppentherapie

    Kommt bei Depressionen und Suchterkrankungen zum Einsatz. Vielen Betroffenen hilft das Wissen, dass sie mit ihren Beschwerden nicht alleine sind. Daneben wird der gegenseitige Austausch als heilsam empfunden. Gruppentherapien werden von einer Fachperson moderiert.

  • Bewegungs- und Tanztherapie

    Für aktive Menschen eine gute Ergänzung zu anderen Therapieformen. Unter anderem geht es darum, das Gleichgewicht zwischen Körper und Psyche herzustellen, Sinneswahrnehmungen zu schulen sowie um die Stärkung der Sozialkompetenz. Das kann durch Tanzen oder andere Bewegungen geschehen. Wichtig ist, dass sich die Teilnehmer*innen wohlfühlen und Therapeut*innen einen angemessenen Rahmen schaffen.

  • Kunsttherapie

    Wird meistens bei stationären Aufenthalten eingesetzt. Patient*innen lernen, ihre Gefühle durch Zeichnen, Malen oder andere künstlerische Tätigkeiten auszudrücken. Ein schöner Nebeneffekt gerade in Bezug auf einen Klinikaufenthalt ist, dass solche Beschäftigungstherapien einen geregelten Tagesablauf sicherstellen.

  • Ergotherapie

    In eine ähnliche Richtung geht die Ergotherapie. Unter Anleitung oder frei wird hier allerlei gestaltet. Das Gruppensetting kann zusätzlich dem Rückzug entgegenwirken, die kreative Betätigung soll Wahrnehmung, Selbstbewusstsein und Lebenskraft der Patient*innen stärken.

  • Hypnosetherapie

    Wird ebenfalls ergänzend angewendet. Sie gründet auf der Überzeugung, dass wir durch spezielle Techniken wie Trance Zugriff auf unser Unterbewusstsein erhalten und dadurch Probleme lösen können.

  • Körpertherapie

    Ein Sammelbegriff für Therapiemethoden, welche körperliche und seelische Leiden als gleichwertig ansehen. Wie bei der Bewegungstherapie steht die Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen Körper und Psyche im Fokus. Nicht nur für psychische Erkrankungen kann eine Körpertherapie hilfreich sein. Bei Schmerzen können Physiotherapie oder Massageformen wie Shiatsu Abhilfe schaffen.

  • Atemtherapie

    Bei der Atemtherapie steht die Wechselwirkung zwischen Atem, Körperfunktionen, Denken und Fühlen im Zentrum. Durch bewusstes Atmen können sowohl körperliche Symptome, wie Verspannungen oder Schmerzen, als auch bei psychischen Erkrankungen, wie Ängste oder depressive Verstimmungen gelindert werden. Außerdem kann die Atemtherapie dabei helfen in Stresssituationen gelassener zu reagieren, Stress abzubauen und sich zu entspannen.

  • Medikamentöse Behandlung

    Als Ergänzung zu den obigen Therapieformen verschreiben Psychiater:innen geeignete Medikamente. Das können je nach Erkrankung Antidepressiva, Beruhigungs- oder Schlafmittel sowie angstlösende Medikamente und Neuroleptika sein. Als zentral gilt die Absprache mit den Patient*innen, denn nicht alle Medikamente wirken bei allen Menschen gleich. Oftmals ist es so, dass verschiedene Inhaltsstoffe ausprobiert werden müssen, bis es passt. Bei der Einnahme von Medikamenten sollte man sich auf die Psychiater*innen verlassen. Gerade Antidepressiva müssen wegen sogenannten Absetzerscheinungen, nicht zu verwechseln mit Entzugserscheinungen, kontinuierlich und über Wochen abgesetzt werden (sogenanntes Ausschleichen).

Der Weg zur Therapie ist kein Zeichen des Versagens

Das Leben stellt uns immer wieder vor Herausforderungen, die manchmal schwer alleine zu bewältigen sind. Unterstützung zu suchen, ist das Natürlichste der Welt und kein Grund zur Scham! Wer Hilfe sucht, zeigt damit, dass er aktiv an seiner eigenen Gesundheit arbeiten möchte – ein Zeichen von Stärke, nicht von Schwäche.

Eine professionelle Psychotherapie ist meistens der schnellste Weg zur Heilung, auch wenn der erste Schritt viel Mut erfordert. Tauschen Sie sich mit Ihren Liebsten aus und sprechen Sie über Ihr mentales und emotionales Wohlbefinden. Sie werden feststellen, dass Sie nicht allein sind – im Gegenteil: Viele Menschen machen ähnliche Erfahrungen. Ihre Gesundheit und Ihr Glück sind den Sprung über den eigenen Schatten definitiv wert.


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